Ein Blick zurück auf 2024

Hier werden die Weichen gestellt…

2024 ist ein Jahr mit vielen verschiedenen Facetten. Einige bleiben schattig und dunkel, andere funkeln im Sonnenlicht. New York funkelte die meiste Zeit, blendete immer wieder, und doch hatte ich hier den wohl größten Schreckmoment des Jahres. Aber fangen wir doch von vorne an: Nach der Weihnachtspause zu Hause ging es wieder zurück nach New York. Auf den Bürgersteigen lagen die ausgemusterten, vertrockneten, struppigen Weihnachtsbäume. Die Luft war eisig kalt. Selbst die Tauben hockten völlig verfroren aufgeplustert neben den U-Bahn Ausgängen auf dem Boden. Wer auf den Bus warten musste, stellte sich über die warmen Abluft-Schächte. Aktivitäten wurden nach drinnen verlegt. Ab ins Museum: Museum of Natural History, Guggenheim, MoMA. Dann aber auch Madame Butterfly in der MET, ein Konzert auf der Upper West Side – auf dem Weg zurück die Begegnung mit Gemüseladen-Ratte (https://www.ansichten.me/blog/goa51eeqapnuj8o6u8xoju37i8j8w7 ). Frostige Spaziergänge im Central Park. Am 16. Januar endlich der erste Schnee, das Harlem Meer zugefroren, die Enten stehen auf dem Eis, lange Schatten und Sonnenuntergang. Bei einem Ausflug nach Brooklyn zur dortigen Dependance PS1 des MoMA sind die Wasserleitungen eines Hydranten geplatzt, eine eisige Skulptur. Schneidend kalter Wind in den Straßen. Besuch von Freunden und weitere Schneespaziergänge. Erste Schneeglöckchen lassen uns auf wärmere Tage hoffen. Es bleibt: Kalt. https://www.ansichten.me/blog/januar  Ein Konzert mit den New Yorker Philharmonikern in der Geffen Hall beschließt den Januar.

Auch im Februar bleibt es kalt. Auch im Februar gibt es Besuch aus der Heimat. Die Apple Vision Pro macht New York verrückt. Erste Influencer hocken wichtig damit in Parks oder der Subway und lassen sich dabei filmen. Ich nutze die klare, harte Wintermittagssonne, um Schattenfotos unter der U-Bahn-Brücke an der 125th Straße zu machen. Abends geht es mit dem Besuch in die Geffen Hall, Cameron Carpenter gibt ein furioses Orgelkonzert. Ein paar Tage später besuchen wir wieder  Bill’s Place bei uns in Harlem um die Ecke, und hören Jazz. Musik und Museen, auch im Februar. Und ein neuer Coffee-Place in Williamsburg fürs Wochenende. Chinesische Neujahrsfeiern mit viel Papierkonfetti, eine akademische Feier mit Mehr-Gänge-Menu in der Columbia-Universität, von der ich einen unglaublich schönen und großen Blumenstrauß mitsamt der Vase mitnehmen darf. Dafür gönnen wir uns ein Taxi durch den verregneten Abend nach Hause. Am nächsten Morgen wieder Schnee, fluffige drei oder vier Zentimeter, also ab in die Stadt zum Fotografieren, traumhafte Fotos entstehen in knapp anderthalb Stunden, dann sind die Finger steifgefroren, die Schuhe und Füße patschnass und eiskalt und der Schnee von den Straßen und Wegen und Bürgersteigen geräumt. Der Valentinstag in New York ist ein besonderes Fest: https://www.ansichten.me/blog/der-preis-der-liebe . Verschneit und mit Besuch geht es weiter, und ein Wochenendbesuch führt uns zu Freunden nach New Haven.

Der März beginnt mit Alarm: https://www.ansichten.me/blog/alarm Es brennt nachts in unserem Block. Ein Ausflug nach Staten Island bei schönstem Sonnenschein ist wie ein Urlaub in Maine: Obwohl die Halbinsel verwaltungstechnisch zur Bronx gehört, reihen sich hier feine kleine Holzhäuser mit großen Gärten aneinander, an der Hauptstraße findet man zahlreiche Restaurants mit Seafood. Die ersten Krokusse blühen, und die Neonreklame lädt zum Lobster-essen ein. Die Temperaturen werden etwas milder, aber das nächste Wochenende strömt wieder der Regen, so flüchten wir uns patschnass schon am frühen Morgen in die Kings County Destillerie am Navy Yard in Brooklyn, ein toller Platz für Stillleben: https://www.instagram.com/airwingsandroots/  Inzwischen habe ich eine Liste gemacht, was ich noch alles in New York anschauen muss, bevor wir wieder nach Hause gehen. Spoiler: Natürlich schaffen wir das alles gar nicht. Das Wetter ist regnerisch und unfreundlich, besonders an den Wochenenden. Aber ab und zu wird es frühlingshaft: Erste Kirschblüten verzaubern die Allee neben dem großen Wasserreservoir und im See unter der Bow Bridge im Central Park sonnen sich die Wasserschildkröten auf einem warmen Felsen, der Winterschlaf ist vorbei. Ich besuche eine fancy Modenschau von Diane von Fürstenberg in „The Shed“. Ein Meer von Frühlingsblüten empfängt mich dort. Das nächste Wochenende scheint die Sonne strahlend vom blauen Himmel und wir nutzen die Gelegenheit, um endlich Ellis Island zu besichtigen. Für mich ein bewegendes Erlebnis. Ich suche natürlich nach einem Verwandten väterlicherseits und einer Urgroß-Schwipp-Cousine oder so ähnlich mütterlicherseits, vergeblich. Aber ich erkenne in den Vitrinen und Schautafeln, dass die Probleme von Flucht, Migration und Integration auch vor 100 Jahren genau die gleichen waren. Nur damals sind jeden Tag viel mehr Leute nach Ellis Island gekommen, als heute in einem Monat. Mascha Kaleko schreibt: „Wir sind ohne Geld. Ohne Freunde. Ohne Verbindungen. Ohne Hoffnung. Fahrgeld fehlt. Schuhe fehlen. [...] Verfluchtes Geld. [...] Ein Bankkonto ist eine gute Vorbeugung gegen Depression. [...] Noch nie waren wir so „refugees“ wie jetzt. [...] Organisierte Wohlfahrt macht die Menschen verantwortungslos dem leidenden Einzelwesen gegenüber. Sie haben ihren Beitrag bezahlt. Ihr Gewissen ist rein. Du verrecke. Warum bist du nicht successful? Wobei success – nur Geld heißt.“ Ich nehme mir vor, einen Artikel für meinen Blog zu schreiben. Noch habe ich es nicht geschafft. Dann kommt er halt in das Buch, mehr dazu später. Wir entdecken Queens mit dem wunderbaren Noguchi Museum, Astoria mit seinen kulinarischen Genüssen und schaffen es endlich an einem weiteren restlos verregneten Nachmittag, das Louis Armstrong Museum und sein Wohnhaus zu besichtigen. Auch das muss ich noch mit einem eigenen Artikel verbloggen, What a wonderful world“. Die „Harlem Renaissance“ Ausstellung im Metropolitan Museum of Arts ist ein weiterer Höhepunkt. Ich besorge Mitbringsel, die Zeit hier neigt sich unaufhörlich dem Ende entgegen. Der letzte Besuch steht vor unserer Türe und wird herzlich hineingebeten. Das letzte Mal gehen wir zu Bill’s Place. Das letzte Mal zu unserem Lieblingscafé in Williamsburg. Noch ein letzter Besuch bei einem Kollegen meines Mannes. Ostern. April! Ein letztes Mal im Guggenheim, ein Abschied vom Dendur-Tempel, noch ein letzter Cocktail auf unserem Lieblings Rooftop. Die Zeit jagt. Die Stunden zerfließen. Der Boden bewegt sich, die Wände wackeln – die Erde bebt am letzten Tag. Einen Tag später steigen wir in das Flugzeug, das Kapitel New York ist Geschichte.

Zu Hause blüht der Bärlauch in den Auenwäldern rund um die Nidda. Der Grill wird angeworfen. Ein herzzerreißend trauriger Anlass führt uns zu Freunden nach Arnstadt in Thüringen. Statt in die MET geht es wieder in die Frankfurter Oper, die ist preisgekrönt als bestes Opernhaus. Und das Bockenheimer Depot ruft.

Schwupp, schon radeln die Radfahrer vom Rennen am 1. Mai vorbei. Ein Jahrgangstreffen der Schule: „Mensch, du hast dich ja gar nicht verändert!“ – ist das jetzt ein Kompliment oder eine Beleidigung? Aber schön ist es auf alle Fälle, alle anderen wieder zu sehen. Eine bewegende Inszenierung des „Tannhäuser“ in der Frankfurter Oper rührt zu Tränen. Muttertag in Stuttgart, im 7. Stock ohne Aufzug. Auch schön. Mit Blumen und Rind vom Auftragsgriller.

Im Juni geht es in die Toskana, zunächst in eine wundervolle Kartause bei Siena, einfach traumhaft. Mit einem kleinen Fiat Cinquecento sause ich über die Hügel und sehe San Gimignano, Volterra und schließlich Florenz. Am schönsten ist der Blick morgens und abends vom Fenster der Kartause über den darunterliegenden Barockgarten hinüber zu den Olivenbäumen. Am anstrengendsten ist es, in der gleißenden Sonne den steilen Berg zu unserem Hotel in Florenz hinaufzusteigen. Zu Hause wird langsam klar, dass mir der Blog über New York nicht reicht. Angeregt von meiner Freundin Angelika ( https://www.freiraumfrau.de ), die ihre „Geschichten aus dem Freiraumbus“ ( https://www.freiraumfrau.de/buch/  ) niedergeschrieben und selbst herausgegeben hat, fasse ich den Entschluss, ein Buch zu schreiben.

Im Juli spielt mein Orchester, die www.kingstruments.de ein Sommerkonzert in Königstein und ich bin tatsächlich wieder dabei, das fühlt sich gut an. Der Sommer, auch der August, besteht aus Kurzausflügen nach Straßburg, Iphofen und München, Abenden auf der eigenen Terrasse, etwas, das ich New York sehr vermisst habe, Schwimmen und Schreiben und Foto-Sortieren.

Im September ist es soweit: Ein Abschiedsbesuch in New York. Doch noch einmal die Sehnsucht stillen, die Chance, endlich bei gutem Wetter doch noch Governors Island sehen. 11. September. Stilles Gedenken, aber der böse orange Mann fährt an uns vorbei, mit viel Security vorneweg und hinterher. Dazu kommen etliche Rooftops, auf die „Normal-Sterbliche“ nicht kommen: Ein Abend auf der Dachterrasse des New York Athletic Club direkt am Central Park, und bei einem Freund, beide Male mit Sonnenuntergang – atemberaubend schön, und wahrlich beeindruckend. Wir genießen einen Spaziergang durch unser altes Viertel in Harlem und besuchen unsere Lieblingscafés. Und ich fotografiere alle Motive, die mir für mein Buch noch fehlen. Ich freue mich, dass der Elisabeth Street Garden immer noch existiert, obwohl dort ein Apartmenthaus entstehen soll. Viel zu schnell ist auch diese Woche vorbei.

Der Oktober beginnt mit der Probenfreizeit meines Orchesters in der Landesmusikakademie Schlitz. Das sind gute und intensive Tage, die uns nicht nur als Orchester voranbringen, sondern auch als Gemeinschaft. Bei bestem Herbstwetter zeigen wir Freunden aus New York den Rheingau, so etwas gibt es in New York nicht. Sie freuen sich darüber, mitten im Weinberg zu stehen und in aller Öffentlichkeit Wein trinken zu dürfen. Statt Hochhäuser fotografiere ich jetzt im Wald hinter unserem Haus Pilze und im November auf dem Feldberg Greifvögel in einem Workshop, den Nicole Herr (https://www.instagram.com/nicoles_moments/) mit dem Falkenhof Feldberg ( https://www.falknerei-feldberg.de ) organisiert hat. Wir lernen viel über die Vögel, aber es sind vor allem die Momente im Wald mit diesen wunderschönen Tieren, die noch lange in mir nachhallen. Eine kurze Reise führt mich noch einmal in den Süden, nach Barcelona. Am Geburtstag meines Vaters, eines Architekten,  besuche ich den Pavillon von Mies van der Rohe und denke an meinen verstorbenen Vater, der mir so viel über Architektur beigebracht hat.

Und – schwupp! –  ist das Jahr auch schon zu Ende. Dezember. Schnell noch ein langes Wochenende nach Kopenhagen und Lund zum furiosen Weihnachstkonzert meiner Tochter. Und dann ist es soweit, Sohn und Tochter machen sich auf den Weg an die Stätte iher Geburt, um die IT-Probleme ihrer Eltern zu lösen, oder so ähnlich. Mir gab Judith Peters (https://judithpeters.de) den Anlass, diesen „Jahresrückblog“ zu schreiben. Das habe ich gerne gemacht und freue mich auch darauf, den Blog von anderen zu lesen.

Ich bin sehr dankbar für dieses volle Jahr. Der Aufenthalt in New York hat mich wieder zu meinen kreativen Wurzeln zurückgebracht. Ich weiß nun, dass mich meine Füße weit tragen können (insgesamt bin ich in New York ungefähr 2000 km gelaufen). Ich habe aber auch gelernt, dass ich kein Stadtmensch bin. Trotzdem vermisse ich regelmäßig am Wochenende die vielen Möglichkeiten, die diese Stadt bietet. Ich habe entdeckt, dass ich Schreiben mag und habe über das regelmäßige Schreiben auch eine Schreibstimme gefunden. Schön, dass ich da gute Unterstützung vom https://www.schreibzirkel-frankfurt.de hatte. Da freue ich mich schon auf mehr. Und herzlichen Dank an meine Tochter für viele Schreib-Dates!

Ich freue mich auf 2025. Trotz aller Sorgen um die politische Lage in der Welt. Wie jedes Silvester blicke ich mit dieser Unsicherheit auf das Jahr, aber es ist auch so viel Vorfreude dabei, auf alles, was ich erleben, fotografieren und schreiben möchte. Und hoffentlich ist auch wieder viel Musik dabei. Mein großes Ziel: Natürlich endlich das New York Buch veröffentlichen. Und es gibt schon ein kleines Nebenziel, ein weiteres Buch-Projekt, welches ich anfangen werde. Ich bin offen für 2025, mein Motto ist: “Du sollst dir (k)ein Bildnis machen“.

 

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