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November
Im Central Park ist es ruhiger geworden.
Im Central Park ist es ruhiger geworden. Die Luft ist klar und kalt. Der Himmel strahlt blau. Die Pfade sind einsamer, einige Bäume haben schon alle Blätter verloren, andere leuchten noch gelb und rot, wieder andere sind zum Teil noch grün. Kleine magere Hunde stecken in pyjamaartigen warmen Anzügen, sie tragen bunte Pfotenschoner. Ich laufe zu einem der kleinen Seen und hinter einer Biegung des Weges direkt mitten in eine Gruppe ältere Mönner mit riesigen Objektiven auf ihren Stativen. Ich schaue in ihre Blickrichtung, und zum zweiten Mal sehe ich einen Red Tailed Hawk, einen Rotschwanz-Bussard.
Es ist windig, und obwohl der kleine See geschützt in einer Senke liegt, kräuselt sich das Wasser unter den bunten Bäumen.
Kindergartenkinder toben in neongelben Schutzwesten über eine Rasenfläche.
Eine ältere Dame am Rollator erzählt einer Frau: „I lost 68 pound.“
Die Platane vor unserem Wohnzimmerfenster hat kaum noch Blätter. Wenn unser Fenster offen ist, kann ich manchmal hören, wie sich ein weiteres Blatt im Wind löst und raschelnd zu Boden fällt.
Wir sind erkältet. Wir haben 12 Stunden geschlafen. In der Stadt, die niemals schläft, holen wir den Schlaf für alle nach.
Oktober
Im Oktober zeigt sich New York von seiner schönsten Seite.
Wenn ein Monat einer Stadt so gut stehen könnte, wie ein passendes Kleid, dann müsste New York Oktober tragen. Das goldene Licht nimmt das Grelle aus der Stadt. Der blaue Himmel ist nicht gleißend, sondern geöffnet für die Sehnsucht nach warmen Tagen. Es gibt keine schwülnassfeuchte schwitzige Hitze mehr. Die Schritte werden raumgreifender, die Bäume leuchten golden. Die alten Fassaden aus Stein, Gußeisen und Beton leuchten und werden durch tiefe Schatten sanft konturiert. Schulklassen auf Abschlußfahrt laufen durch den Central Park und die Museen, aufgeregt und fröhlich schwatzend, dazwischen europäische Familien mit ihren Teenagern, die gerade Herbstferien haben. Die Sonne steht tiefer in den Straßen, die Stadt leuchtet. Die Vorfreude auf die Feiertage kündet sich schon überall an, aber mittags ist es noch sommerlich warm. Der Oktober schmiegt sich um diese spröde Stadt wie eine wundervolle Umarmung, erdrückt nicht, gibt Raum aber auch Halt und Wärme. Noch einmal genießen. Noch einmal die Avenuen auf der Sonnenseite entlangschlendern. Noch einmal an einem Park innehalten, sich auf eine Bank setzen und einem Jazztrio lauschen. Die Blätter fallen, die Eichhörnchen flitzen und sammeln und verbuddeln die herabgefallenen Nüsse, sie beachten weder Hunde noch die Fotografen, nur den einsamen Rotschwanz-Bussard, der über dem Central Park kreist, den haben sie nervös im Auge.
Am Conservatory Lake im Central Park sitzt oft ein Trompeter, der wunderschönen Jazz spielt. Die Melodie trägt über das Wasser bis zum gegenüberliegenden Ufer. Er improvisiert sehr ruhig und verträumt, gerade hat er „Falling in Love with you“ gespielt, jetzt „Autumn Leaves“. Der Wind wirbelt ein paar Blätter auf. Ich sitze auf einer Bank am gegenüberliegenden Ufer und genieße.